Kann der Schwindel von der Halswirbelsäule kommen?
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Psychogener Schwindel - Was ist dran?
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Ist der niedergelassene HNO-Arzt/Ärztin die richtige Adresse für eine akkurate Diagnose?
Wie für alle Berufsgruppen gilt auch hier: Wer sich bezüglich eines Themas nicht fortgebildet hat, der/die weiß auch wenig über ein Thema (in diesem Fall die Diagnostik des Schwindels). Fast alle HNO-Ärzte untersuchen das Gleichgewichtsorgan ausschließlich mit der kalorischen Prüfung (Spülung des Gehörgangs mit Wasser). Es ist auch wichtig zu wissen, dass die gesetzlichen Krankenkassen nur die Untersuchung mit der kalorische Prüfung vergüten. Klicken Sie auf den Link, um das Textdokument "Kritik an der kalorischen Prüfung" aufzurufen:
Für Eilige, die den langen Text nicht lesen möchten: Die kalorische Prüfung hat sehr viele Fehlerquellen und die alleinige Spülung des Gehörgangs ist nicht zuverlässig, um das Gleichgewichtsorgan als gesund oder krank zu erklären! Der Reiz, der bei dieser Untersuchung erzeugt wird, gleicht einer Kopfbewegung in Zeitlupe, aber das Gleichgewichtsorgan ist ein Beschleunigungsorgan und sollte bei hoher Frequenz untersucht werden. Gerade wenn diese Untersuchung mit Luft durchgeführt wurde, hat das Ergebnis noch weniger Aussagekraft. Es ist sowieso völlig paradox, dass die einzige Untersuchung, die von den gesetzlichen Kassen vergütet wird, der Test ist, der die meiste Zeit und Sorgfalt erfordert. Denn die gesetzlichen Kassen bemühen sich sehr, um die Zeiten für Patienten, durch niedrige Honorare und strenge Regularien, so kurz wie möglich zu halten. Internationale Experten empfehlen neben ‚der Spülung‘, auch den Video-Kopf-Impuls-Test und den VEMP Test durchzuführen. Wenn die letzten beiden Untersuchungen bei Ihnen nicht durchgeführt wurden, ist die Diagnostik leider minimal gewesen. Leider wird die Durchführung des Video-Kopf-Impuls- und des VEMP-Tests im ambulanten Bereich nicht von den gesetzlichen Kassen bezahlt, weswegen sich viele HNO-Ärzte diese Geräte gar nicht erst anschaffen. Dann ist es auch so, dass die Testergebnisse z.B. bei der vestibulären Migräne häufig ohne Befund sind und in solch einem Fall müsste der Arzt für eine korrekte Diagnose eine ausführliche Anamnese durchführen und seine Befunde mit den Diagnosekriterien der Barany Society vergleichen. Und auch hierfür fehlt den Ärzten entweder das Wissen über die vestibuläre Migräne oder die Zeit. Gerade bei der Kombination von ‚Schwindel und Gleichgewichtsstörung‘ oder ‚Schwindel bei (schnellen) (Kopf- oder Körper-) Bewegungen‘ könnte das Problem vestibulär sein. Leider erlebe ich immer wieder, dass eindeutige, vestibuläre Symptome von Ärzten übersehen werden und zudem die Betroffenen auf die ‚vermeintliche‘ Halswirbelsäule aufmerksam gemacht werden. Ich hatte schon Patienten, die jahrelang nur noch im Sitzen geschlafen haben (weil sie laut Arzt die Arterie zum Gehirn einengen könnte) oder kurz vor einer ‚Herzschrittmacher-OP‘ standen, obwohl Sie lediglich einen Lagerungsschwindel hatten, welcher die wohl am einfachsten zu diagnostizierende Erkrankung in der HNO ist (s. positiver Befund bei Lagerungsschwindel).
Gibt es Medikamente gegen Schwindel?
Die Antwort ist "Nein"! Die meisten Medikamente gegen Schwindel ‚dämpfen‘ nur die Empfindung, aber der Schwindel bleibt. Man könnte daher sagen, dass die meisten Medikamente gegen Schwindel das Gleichgewichtsorgan ‚betäuben / sedieren‘ und wahrscheinlich können Sie sich vorstellen, dass ein betäubtes, sediertes Gleichgewichtsorgans erst recht zu Stürzen führen kann. Außer Morbus Menière und der Vestibularisparoxysmie (eine sehr seltene Krankheit) gibt es keine andere vestibuläre Erkrankung, die langfristig medikamentös behandelt werden sollte. Die einzige Therapie für den vestibulären Schwindel ist die Übungstherapie (vestibuläre Rehabilitationstherapie). Gerade aus diesem Grund ist es nicht nachvollziehbar warum Betroffene von einem Arzt zum Nächsten rennen, mit der Hoffnung, dass Medikamente verschrieben werden, die ihren Schwindel beheben. Oft ist dies verlorenen Zeit, in der Sie längst mit den Übungen hätten beginnen können.
Ist die vestibuläre Therapie nicht ein Teil der Grundausbildung von Physiotherapeuten?
Die Antwort ist "Nein"! Ich selber habe während meines Studiums in den Niederlanden nie etwas über das Gleichgewichtsorgan gelernt. Aus dem gleichen Grund kommen 95% der Therapeuten zu meinen Seminaren. Ich habe auch immer wieder Lehrer im Kurs, die mir nach dem Kurs beichten, dass sie bisher ihren Schülern falsche bzw. veraltete Inhalte gelehrt haben. Genau wie die meisten Ärzte, denkt auch der ‚normale‘ Physiotherapeut, der sich nicht fortgebildet hat, dass der Schwindel primär von der Halswirbelsäule käme. Folglich besteht die Therapie aus wohltuenden, aber leider wirkungslosen Nackenbehandlungen. Und wenn Sie eine vestibuläre Diagnose haben, dann werden die Befreiungsmanöver bei Lagerungsschwindel durchgeführt, obwohl diese z.B. bei der vestibuläre Unterfunktion absolut keine Wirkung haben! Unter www.ivrt.de finden Sie alle Therapeuten, die meine Ausbildung zum Schwindel- und Vestibular-Therapeuten absolviert haben und sie kompetent behandeln können.
Hilft Osteopathie bei Schwindel?
Die Antwort ist "Nein"! Die meisten Osteopathen behandeln den Schwindel mit der sogenannten Cranio-Sacral-Therapie. Die Annahmen / Hypothesen dieser Therapie sind äußerst umstritten und aus wissenschaftlicher Sicht sogar absurd. Wer sich als Laie bisher nicht mit den Inhalten dieser Technik auseinandergesetzt hat, dem empfehle ich diese Quellen:
Da die Osteopathie-Lobby in der D-A-CH Region sehr stark ist, gibt es kaum kritische Artikel zu diesem Thema in deutscher Sprache. Wenn Sie im Internet nach den englischen Begriffen "craniosacral therapy and science" suchen, finden Sie zahlreiche kritische Aufklärungstexte:
Die aktuellste systematische Übersichtsarbeit von neutralen Autoren / Wissenschaftlern kommt zu der Schlussfolgerung, dass es für das ‚neue Allheilmittel‘ konsistent (durch mehrere systematische Übersichtsarbeiten) keine methodologisch belastbare Evidenz über die Zuverlässigkeit diagnostischer Verfahren und die Wirksamkeit von Techniken / therapeutischen Strategien vorhanden sind (Link zur systematischen Übersichtsarbeit). In der verlinkten Studie wird ebenfalls betont, dass die meisten Studien über diese Therapie extremen Ergebnisverzerrungen ausgesetzt waren (kleine Anzahl an Probanden, keine Placebo- / Kontrollgruppe, die Untersuchenden waren auch die 'Fortschritt-Messer', d.h. dass das Risiko bestand als 'Verfechter der Therapie' bei der Auswertung nicht objektiv zu sein). Zusammenfassend: Wie bei vielen anderen Ansätzen der Alternativmedizin ist auch bei der Cranio-Sacral-Therapie die Verbesserung der Symptome sehr wahrscheinlich auf den berühmt-berüchtigten Placebo-Effekt zurückzuführen. Denn wie viele erstaunliche Studien zeigen, ist der Placebo-Effekt nicht zu unterschätzen! Eine Cranio-Sakral-Massage ist äußerst entspannend und wenn ihr Partner Ihnen den Kopf für 60 Minuten sanft streichelt, dann werden Sie sich danach ebenfalls wie 'neugeboren' fühlen. Aber die 'eigentliche Ursache' des Schwindels wird dadurch natürlich nicht behoben!
Ich habe auch Tinnitus, hängt der Tinnitus mit meinem Schwindel zusammen?
Tinnitus kann tatsächlich auch vom Innenohr kommen. Bei Erkrankungen wie Morbus Menière und Akustikusneurinom ist Tinnitus typisch. Wird der Tinnitus durch die vestibuläre Therapie vermindert? Beim Morbus Menière und bei einem Akustikusneruinom ist der Tinnitus nicht beeinflussbar, auch nicht mit der vestibulären Therapie. Aber generell ist der Tinnitus therapieresistent und durch eine ‚körperliche‘ Therapie nicht zu behandeln. Es gibt bisher keinen therapeutischen Ansatz, der den Tinnitus behandeln kann, denn die häufigsten Ursachen von Tinnitus sind nicht durch ‚körperliche‘ bzw. manuelle Methoden beeinflussbar. Die häufigste Ursache für Tinnitus ist tatsächlich die Zerstörung der Sinneshaarzellen im Innenohr. Die Gründe für die Zerstörung sind folgendermaßen zusammenzufassen: Das ‚Absterben‘ der Zellen durch Alterungsprozesse, übermäßiger Lärm (z.B. laute Musik) und sogenannte ototoxische (Oto=Ohr; toxisch=giftig) Medikamente (z.B. Aminoglykosid-Antibiotika; Antibiotika, die mit -mycin / -micin enden). Wenn einmal die Sinneshaarzellen im Innenohr zerstört werden, dann regenerieren sie sich nicht mehr und bisher gibt es auch keine Therapie dafür. Menschen, die ein Körperteil verlieren, empfinden häufig ‚Phantomschmerzen‘ und auch in diesem Fall empfindet der Betroffene bei Zerstörung gesunder Zellen „Phantomgeräusche“. Dies bringt uns zur nächsten, häufigen Ursache für Tinnitus: Das Gehirn hört Geräusche, die eigentlich gefiltert werden sollten bzw. gar nicht ‚da‘ sind. Bei dieser Hypothese ist die veränderte, zentrale Verarbeitung im Gehirn die Ursache für den Tinnitus. Äußerst selten kann der Tinnitus durch eine Störung der Halswirbelsäule oder durch eine Störung des Kiefergelenkes entstehen. Nur in diesem Fall könnte der Tinnitus behandelt werden und sollte auch auf die physiotherapeutische Behandlung reagieren (durch die Therapie sich vermindern!). Hier ist allerdings Skepsis geboten! Weil sehr viele Menschen unter Tinnitus leiden und auch bereit sind alles für eine ‚Genesung‘ zu tun, kommt es nicht selten vor, dass Therapeuten / Heilpraktiker aufgrund wirtschaftlicher Interessen mit einer Genesung ‚werben‘. Auch in der Fortbildungsbranche finden sich Titel wie ‚Tinnitus erfolgreich behandeln‘, dabei gibt es bisher keine effektive Therapie für Tinnitus! Traurigerweise bieten selbst Unikliniken diese nicht evidenzbasierten Therapien an (leider auch die bereits erwähnte Cranio-Sacral-Therapie), wobei ich sehr hoffe, dass Uniklinken auf den Placebo-Effekt als auf einen ‚wirklichen‘ Effekt der Therapie setzen. Lange Rede, kurzer Sinn: Auch wenn Sie als Betroffene/r eine andere Antwort hören wollen würden- Es gibt bisher keine effektive Therapie für Tinnitus (Link zum Artikel), Sie müssen lernen mit dem Tinnitus zu leben bzw. ‚wegzuhören‘. Daher werden eher Verhaltenstherapien (z.B. Tinnitus-Retraining-Therapie) anstelle von ‚körperlichen / manuellen‘ Therapien empfohlen und diese gehören bisher zu den effektivsten Ansätzen! Die Idee dahinter ist einfach und leicht nachvollziehbar: Hört man hin, verstärkt sich der Tinnitus; lenkt man sich ab oder ‚hört weg‘ vermindert sich der Tinnitus. Mehr Informationen zum Tinnitus finden Sie in meinem Artikel, der in der pt_Zeitschrift veröffentlicht wurde.
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